Interview mit Natascha Tyrrell-Besta

Nach ihrer Ausbildung zur Ergotherapeutin in einer Psychiatrie begann Natascha Tyrrell-Besta (52) als Mitarbeiterin im Sozialen Dienst im St. Josefshaus in Rheine. Das war vor 27 Jahren. Inzwischen ist sie stellvertretende Direktorin, war am Aufbau des Bereiches der Jungen Pflege maßgeblich beteiligt und leitet den Sozialen Dienst des Seniorenheimes.

Sie arbeiten nun 27 Jahre im St. Josefshaus, hat sich die Arbeit im sozialen Dienst über die Jahre hinweg verändert? Und wenn ja, wie?

Diese Frage, kann ich mit einem klaren und eindeutigen „Ja“ beantworten.
Wir leben in einer beschleunigten Gesellschaft, die durch technischen und ökonomischen Fortschritt und sozialen Wandel geprägt ist. Auch der stationäre Altenhilfebereich kann sich diesen Kräften nicht entziehen. In der Retrospektive wird sehr schnell deutlich, dass sich die Arbeits- und Aufgabendimension für alle Mitarbeiter in allen Bereichen unseres Hauses über die Jahre stark verändert haben.Ich erinnere mich gern an ein Gespräch mit einer altgedienten Kollegin aus der Pflege, das wir kurz vor ihrem wohlverdienten Ruhestand geführt haben. Sinngemäß formulierte sie, dass sie das Gefühl habe, dass ihr der konkrete Kontakt und die Zeit am Bewohner davon zu laufen scheinen. Was sie damit auszudrücken versuchte, liegt nicht darin begründet, dass sie in ihrem Pflegeberuf überfordert gewesen wäre – nein, hier geht es ganz konkret  um den Aspekt, dass die (Lebens-) Zeit der Menschen aufgrund der guten medizinischen Versorgung im positiven Sinne gestiegen ist. Und genau an dieser Stelle erlebt die stationäre Altenhilfe – erleben wir – einen Umbruch. Durch die Zunahme von hochaltrigen Bewohner/-innen erhöht sich der Hilfe-und Pflegebedarf, der zu neuen fachlichen aber auch menschlichen Anforderungen sowohl an die Organisation des Sozialen Dienstes als auch an alle anderen Berufsgruppen in der Altenhilfe führt.
Dieser Umbruch lässt sich durchaus auf einen Nenner bringen: „Ambulant vor stationär“. Das heißt, dass die Betreuung hochbetagter Bewohner in den Mittelpunkt gerückt ist und wir sie bei ihrer letzten Lebensphase mit immer wieder veränderten und Individuellen Betreuungsangeboten begleiten.

Was mögen Sie an Ihrer Arbeit? Was begeistert Sie, so dass Sie auch nach so vielen Jahren engagiert und mit Herz Ihren Job machen?

Die tägliche Motivation lässt sich für mich persönlich auf einen Begriff reduzieren: Leidenschaft. Leidenschaft ist das, was mich bei meiner Aufgabe hier im St. Josefshaus Rheine antreibt. Darüber hinaus empfinde ich meine Arbeit in der Altenhilfe als sinnstiftend und erfüllend. In meinem Job ist selten ein Tag wie der andere. Das liegt allein schon an der Unterschiedlichkeit und Vielfältigkeit der Bewohner- und Mitarbeiterpersönlichkeiten.
Die Vielfältigkeit in diesem Bereich ist gleichzeitig immer auch eine Herausforderung. Schließlich erfordert der richtige Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen inner- und außerhalb des Hauses Eigenständigkeit, Verantwortungsbewusstsein, Geduld und Empathievermögen. Eine Herausforderung die mich begeistert und mir die Möglichkeit bietet, mitzugestalten.

Fast 30 Jahre sind eine lange Zeit, was schätzen Sie am St. Josefshaus? Ich würde gern erfahren, warum Sie nie in eine andere Einrichtung gewechselt sind.

Die Antwort auf diese spannende Frage sagt natürlich viel über mich, die Stimmung im Team, die Mitarbeiterkultur im St. Josefshaus und nicht zuletzt über meinen Arbeitgeber aus.
Aber – und das ist mir persönlich sehr wichtig – geht es eben nicht nur darum eine attraktive und lukrative Stelle zu besetzen, sondern auch darum, ein Gefühl für die Arbeit und für die Werte des Unternehmens zu entwickeln. Das beinhaltet natürlich auch eine wertschätzende Haltung gegenüber den Mitarbeiter/innen, die Hand in Hand ein gemeinsames Ziel verfolgen und täglich ihre Arbeit leisten.  Wertschätzung ist ein menschliches Grundbedürfnis und in beruflicher Hinsicht ein Indikator und Antriebsmotor für erfolgreiche Zusammenarbeit.
Sicherlich liegt ein weiterer Grund für die lange Verbundenheit mit dem St. Josefshaus in der Tatsache begründet, dass meine berufliche Entwicklung nie zur Einbahnstraße geworden ist – wer gewillt ist und entsprechendes Interesse mitbringt – bekommt bei unserem Träger zahlreiche Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten geboten. Auf diese Weise fördert der Deutsche Orden die persönliche Weiterentwicklung und Qualifikation aller Mitarbeiter.
Es ist richtig, dass ich bislang nicht die Einrichtung bzw. den Arbeitgeber gewechselt habe. Der interessierte Leser mag an dieser Stelle denken: „Da hat es sich aber jemand in der Komfortzone gemütlich gemacht.“ Weit gefehlt! Es war schlichtweg nicht nötig, da mir mein Arbeitgeber die Möglichkeit bot, über den beruflichen Tellerrand zu schauen. Durch meine langjährige Dozententätigkeit an einer Fachschule für Ergotherapie ergeben sich bis heute Synergieeffekte, wie etwa Anfragen von Schüler/-innen der Berufsfachschule hinsichtlich eines Berufspraktikums in unserem Hause. Zusätzlich habe ich die Weiterbildung zum DCM Advance Anwender (Abbildung der Demenzpflege) absolviert und dieses in unterschiedlichen Einrichtung der Altenhilfe auf Anfrage durchgeführt.
Warum und was ich am Josefshaus schätze ist hoffentlich deutlich geworden. Zu Abschluss vielleicht noch dies. Wir alle verbringen viel Zeit am Arbeitsort weshalb eine gute Beziehung zu den Kollegen wichtig ist. Ein funktionierendes Team, das Hand in Hand ein gemeinsames Ziel erfolgt, neue Ideen entwickelt und verwirklicht.

Gibt es eine Situation, ein Ereignis oder Event, an das Sie sich besonders gern erinnern?

„Die schönsten Erinnerungen sind die, die einem beim Zurückdenken ein Lächeln auf die Lippen zaubern.“
Wo soll ich da anfangen – es gibt so vieles während meiner langjährigen Tätigkeit im St. Josefhaus, an das ich mich gerne erinnere. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Augenblick, an dem Frau Herking (Direktorin des St. Josefshauses  Rheine) mir die Position der stellvertretenden Direktorin angeboten hat – eine neue Herausforderung, die ich gerne angenommen habe. Der Aufbau bzw. Übernahme des Sozialen Dienstes, der Ausbau des Bereiches „Junge Pflege“, die Veränderungen durch die Einführung der Pflegeversicherung und vieles mehr haben in der Rückschau Spuren hinterlassen. Ein Großereignis, das mir bis heute noch sehr in Erinnerung ist, war das 1999 durchgeführte Projekt „Ein Altenheim zieht um“ und das im wahrsten Sinne des Wortes.
Je länger ich darüber nachdenke, umso stärker erfasst mich ein Gefühl von Nostalgie und ich bin mir sicher, jeder hat sie, diese Erinnerungen an damals, als alles noch so viel besser war – und bei jedem sind sie ähnlich. Oft ist es einfach schön und hochinteressant, sich an Vergangenes zu erinnern. Solche Gedanken sind bereichernd, manchmal zum Schmunzeln, manchmal stimmen sie nachdenklich und auch traurig.

Was raten Sie jungen Menschen, die im sozialen Dienst eines Senioren-Zentrums arbeiten möchten?

Der Schulalltag junger Menschen ist mittlerweile so durchgetaktet, dass bei vielen die Berufswahl zu  Randthema wird. Den Satz „Ich will mal was mit Menschen machen“ höre ich sehr häufig. Dabei sollte sich jeder darüber im Klaren sein: Berufswahl ist harte Arbeit!
Soziale Dienstleistungen, die Arbeit im Bereich Altenhilfe sind Teil der gesellschaftlichen Infrastruktur und lassen sich nicht einfach mit dem Bau von Straßen oder Blockhetzkraftwerken vergleichen. Superhelden mit ausgeprägten „Helfersyndrom“ sind hierbei auch nicht sehr hilfreich.
Lernbereitschaft, die Lust neue Herausforderungen anzugehen und sich persönlich und fachlich weiterzuentwickeln sind sicherlich gute Voraussetzungen.
Im sozialen Bereich werden Menschen gesucht, die einfühlsam, hilfsbereit, offen, freundlich und teamfähig sind. Man sollte gut kommunizieren können und verantwortungsbewusst mit anderen Menschen umgehen. Und wenn man das Gefühl hat über diese – wie es so schön heißt „Soft Skills“ – zu verfügen, na dann los, traut euch! Man kann ein spannendes Arbeitsfeld eröffnen.

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